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Die stille Architektur des Körpers

Die stille Architektur des Körpers – Biomechanische Grundlagen des Yoga

Wenn wir Yoga aus biomechanischer Sicht betrachten, wie es Dietrich Ebert in „Physiologische Aspekte des Yoga“ beschreibt, wird schnell klar: Yoga ist kein Workout. Es ist eine präzise Übungsweise, die den Körper nicht „formt“, sondern durch feine Wahrnehmung und minimale Kraft stabil und geschmeidig zugleich macht. Die entscheidende Frage lautet also nicht: Wie anstrengend ist eine Asana? Sondern: Wie wenig Kraft brauche ich dafür – und wie ruhig bleiben meine Gelenke dabei?

Ebert betont, dass jede Haltung im Idealfall mit minimalem Kraftaufwand ausgeführt wird. Das bedeutet: Die Gelenke sollten nah an ihrer Ruhelage arbeiten, die Muskeln sich so entlang der Knochen organisieren, dass unnötige Korrekturbewegungen entfallen. Besonders in komplexeren Asanas zeigt sich dieses Prinzip deutlich. Sobald wir gegen die Schwerkraft „kämpfen“, beginnen wir unbewusst mit Mikrobewegungen, die Drehmomente erzeugen und den Körper aus der achsengerechten Position ziehen. Die Kunst der Praxis besteht darin, genau diesen Kampf zu beenden.

Shavasana ist das Paradebeispiel dafür. Auf einer harten, nicht nachgebenden Unterlage fällt jedes Drehmoment praktisch weg. Der Boden „antwortet“ direkt auf den Körper, die Muskeln dürfen loslassen, weil sie nichts stabilisieren müssen. In dieser völligen Unterstütztheit entsteht eine besondere Qualität der Länge und Weite im Gewebe: Die Muskulatur gleitet entlang der Knochen, Gelenke finden in ihre natürliche, unbelastete Zentrierung zurück, während der ganze Körper gleichzeitig weich und lang wird.

Genau hier liegt der Schlüssel zum Verständnis von Yoga: Nicht in der äußeren Form, nicht in der Leistung, nicht im Power-Flow. Sondern im feinen Zusammenspiel von Schwerkraft, Knochenarchitektur und innerer Orientierung. Yoga ist ein stilles Studium des Innenlebens – ein Üben des Spürens, nicht des Kämpfens.

Euch allen wünschen wir Leichtigkeit und Stabilität!